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-==== Mathias Gartner: Mit dem Zufall rechnen ​— Atome zähmen leicht gemacht ​ ====+==== Mathias Gartner: Mit dem Zufall rechnen ​– Atome zähmen leicht gemacht ​ ====
  
 <​html><​font size="​+1"><​em>​Implementation and Application of the Time Dependent Variational Monte Carlo method in real and imaginary time</​em></​font>​ <​html><​font size="​+1"><​em>​Implementation and Application of the Time Dependent Variational Monte Carlo method in real and imaginary time</​em></​font>​
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 <​html><​font size="​+1">​Mathias Gartner</​font>​ <​html><​font size="​+1">​Mathias Gartner</​font>​
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-Kurzfassung (pdf)+{{:​macke:​press_gartm.pdf | Kurzfassung}}
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-Materialien in den drei Aggregatszuständen fest, flüssig und gasförmig dominieren die Umwelt, in der wir unseren täglichen Beschäftigungen nachgehen. Wir atmen gasförmige Luft, trinken flüssiges Wasser und hantieren mit festen Objekten. ​Auf unseren Festplatten ​speichern wir Informationin der Form magnetischer ('1') oder unmagnetischer ('0') winziger Gebiete.+Materialien in den drei Aggregatszuständen fest, flüssig und gasförmig dominieren die Umwelt, in der wir unseren täglichen Beschäftigungen nachgehen. Wir atmen gasförmige Luft, trinken flüssiges Wasser und hantieren mit festen Objekten. ​Die möglichen Zustände eines Objektes sind auch auf der mikroskopischen Ebene wichtig, so speichern wir zum Beispiel auf unseren Festplatten ​Information in der Form magnetischer (1) oder unmagnetischer (0) winziger Gebiete.
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 Dass es jedoch viele weitere Materiezustände gibt, ist uns im Alltag oftmals nicht bewusst. Vor allem exotische Zustände wie zum Beispiel die [[https://​de.wikipedia.org/​wiki/​Bose-Einstein-Kondensat|Bose-Einstein-Kondensation]] oder [[https://​de.wikipedia.org/​wiki/​Suprafluidit%C3%A4t|Supraflüssigkeiten]] sind heutzutage ein aktives und hochspannendes Forschungsgebiet in der Physik. ​ Dass es jedoch viele weitere Materiezustände gibt, ist uns im Alltag oftmals nicht bewusst. Vor allem exotische Zustände wie zum Beispiel die [[https://​de.wikipedia.org/​wiki/​Bose-Einstein-Kondensat|Bose-Einstein-Kondensation]] oder [[https://​de.wikipedia.org/​wiki/​Suprafluidit%C3%A4t|Supraflüssigkeiten]] sind heutzutage ein aktives und hochspannendes Forschungsgebiet in der Physik. ​
-Um diese Phänomene zu beschreiben,​ müssen sich die theoretischen Physiker in die Welt der Quantenphysik begeben. Denn diese Zustände trifft man nur unter extremen Bedingungen an, wie Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt von -273.15° Celsius oder auf kleinen Längenskalen in der Größe einzelner Atome.+Um diese Phänomene zu beschreiben,​ müssen sich die theoretischen Physiker in die Welt der Quantenphysik begeben. Denn diese Zustände trifft man nur unter extremen Bedingungen an, wie Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt von -273,15° Celsius oder auf kleinen Längenskalen in der Größe einzelner Atome.
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-Das Schwierige <​html>&​mdash;</​html>​ aber daher auch umso Interessantere <​html>&​mdash;</​html>​ dabei ist, dass sich in diesen Systemen ​Milliarden ​von einzelnen Teilchen gegenseitig beeinflussen. Selbst wenn die Eigenschaften einzelner Atome oder Atompaare heutzutage oft schon sehr genau berechnet werden können, ist es schon alleine aufgrund dieser //​riesigen//​ Anzahl eine große Herausforderung,​ das kollektive Verhalten von wechselwirkenden Teilchen korrekt vorherzusagen. Denn ähnlich wie ZuschauerInnen bei einem Konzert ​oder einem Fußballspiel, ​verhält sich die Menge anders, als wären die Einzelpersonen alleine. Bereits in der klassischen Physik ist (wie wir alle vom Wetter wissen) eine fehlerfreie Prognose unmöglich, im Rahmen der Quantentheorie treten zusätzliche ​Herausforderungen ​auf.+Das Schwierige <​html>&​ndash;</​html>​ aber daher auch umso Interessantere <​html>&​ndash;</​html>​ dabei ist, dass sich in diesen Systemen ​Zehntausende ​von einzelnen Teilchen gegenseitig beeinflussen. Selbst wenn die Eigenschaften einzelner Atome oder Atompaare heutzutage oft schon sehr genau berechnet werden können, ist es schon alleine aufgrund dieser //​riesigen//​ Anzahl eine große Herausforderung,​ das kollektive Verhalten von wechselwirkenden Teilchen korrekt vorherzusagen. Denn ähnlich wie ZuschauerInnen bei einem Konzert verhält sich die Menge anders, als wären die Einzelpersonen alleine ​anwesend. Bereits in der klassischen Physik ist (wie wir alle vom Wetter wissen) eine fehlerfreie Prognose unmöglich, im Rahmen der Quantentheorie treten zusätzliche ​Schwierigkeiten ​auf.
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-ability to perform rather complex ​in silico experiments.+Zum Glück kommt uns hier die rasante Entwicklung der modernen Computer zu Hilfe. Zwei numerische Methoden sind besonders etabliert, die sogenannten "​Molekulardynamik"<​html>&​ndash;</​html>​ und die "Monte Carlo" (MC) Simulationen. Erstere lösen Newton'​s Gleichungen //"​Kraft = Masse x Beschleunigung"//​ für mehrere 1000 Teilchen, mit Kräften zwischen allen einzelnen. Dieser Zugang ist nur für klassische Systeme möglich und im Zeitablauf folgt dabei jedes Teilchen einer genauen Bahn. 
 +Bei MC Simulationen hingegen wird jede Bewegung eines Teilchens quasi "​erwürfelt":​ nach präzisen Regeln akzeptiert man die "neue Position"​ des Teilchens, oder "​lässt es stehen, wo es ist." Diese Vorgehensweise funktioniert klassisch wie auch quantenmechanisch. Und obwohl wie in den Spielhallen von Monte Carlo auch in diesen Simulationen der Zufall eine entscheidende Rolle spielt <​html>&​ndash;</​html>​ daher auch der Name! <​html>&​ndash;</​html>​ liefert das statistische Mittel über alle Zufallsergebnisse erstaunlich gute Resultate.
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-Zum Glück kommt uns hier die rasante Entwicklung der modernen Computer zuhilfeZwei numerische Methoden sind besonders etabliert, ​ + 
-die sogenannten "​Molekulardynamik-"​ und "Monte Carlo" (MC) SimulationenErstere lösen Newton'​s Gleichungen ​//"Kraft = Masse Beschleunigung"​// für mehrere 1000 Teilchenmit Kräften zwischen allen einzelnen. Dieser Zugang ist nur für klassische Systeme möglich und im Zeitablauf folgt dabei jedes Teilchen einer genauen Bahn. +| {{ :​award19_gartner:​macke.png?200 |}} | 
-Bei MC Simulationen hingegen wird jede Bewegung eines Teilchens quasi "erwürfelt": nach präzisen Regeln akzeptiert man den "​Schritt",​ oder "​lässt ​das Teilchen ​stehenwo es ist." Diese Vorgehensweise funktioniert klassisch wie auch quantenmechanisch. Und obwohl wie in den Spielhallen von Monte Carlo auch in diesen Simulationen der Zufall eine entscheidende Rolle spielt, (daher auch der Name!), liefert das statistische Mittel über alle Zufallsergebnisse erstaunlich gute Resultate.+| {{ :​award19_gartner:​wuerfeln.jpg?300 |}} | 
 +|  Dabei wird zufällig bestimmt, welches Atom bewegt wird, wieviele Schritte in //x//- und wieviele Schritte in //​y//​-Richtungsowie – abhängig von seiner sogenannten quantenmechanischen ​"Wellenfunktion" ​– ob das Teilchen ​diese Bewegung ausführtoder doch lieber auf den ursprünglichen Platz bleibt | 
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-Noch schwieriger (und natürlich auch noch interessanter) ist es, wenn sich die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Teilchen ​ändern kann und sich diese deshalb nicht mehr im Gleichgewicht befinden.können. +Aktuell mega-spannend wird es, wenn sich die Wechselwirkung ​(also die Kraft) ​zwischen den einzelnen Teilchen ​plötzlich ändert: man spricht ​von einem "​quantum-quench"​Analog zu einem Menschenunter dem plötzlich eine Brücke einbricht, gerät ​auch eine Quantenflüssigkeit völlig aus dem Gleichgewicht,​ wenn man die Rahmenbedingungen oder die wirkenden Kräfte sehr rasch ändertFür Nicht-Gleichgewichtszustände stecken aber die bekannten Simulationsmethoden noch in den Kinderschuhen und müssen völlig neu erarbeitet ​werden. ​Ein solches Programm zu entwickeln war die Aufgabenstellung meiner Masterarbeitderen besonderer Reiz gerade ​in der Verknüpfung zwischen aktuellen physikalischen Fragestellungen und der Programmierung ​von hochperformanter Simulationssoftware liegt. 
-Viele Im Zuge seiner Masterarbeit entwickelte Mathias Gartner Simulationsmethoden mit denen die Eigenschaften ​von quantenmechanischen Vielteilchensystemen vorhergesagt werden könnenDa das kollektive Verhalten vieler Teilchen nicht exakt berechnet werden kann werden sogenannte Monte Carlo Simulationen verwendetwobei in Analogie zu den Spielhallen von Monte Carlo auch in diesen Simulationen der Zufall ​eine entscheidende Rolle spieltUm für die komplexen Systeme Ergebnisse erzielen zu können ​werden ​zufällige Konfigurationen der Teilchen „erwürfelt“Wird dies oft genug durchgeführt können mit Hilfe von statistischen Methoden Eigenschaften der komplexen Systeme vorhergesagt werden. Eine wichtige Größe ist zum Beispiel ​die Paarverteilungsfunktionwelche die Wahrscheinlichkeit angibt zwei Teilchen ​in einem bestimmten Abstand anzutreffen. Das erstaunliche daran ist, dass trotz der Verwendung ​von Zufallszahlen genaue ​Ergebnisse ​erzielt werdenDa diese Monte Carlo Simulationen ​sehr rechenaufwendig ​sind hat Mathias Gartner ein Programm entwickelt das an den Supercomputern der JKU gestartet ​werden kann. Somit ist es möglichdass gleichzeitig hunderte von Prozessoren über Stunden oder manchmal ​auch Tage hinweg die Rechenaufgaben ​lösen, und somit die Eigenschaften der Vielteilchensysteme berechnen ​könnengelangen.+ 
 +Bekanntlich erfordern sinnvolle statistische ​Ergebnisse ​hinreichend große Datenmengen (zu kleine Stichproben erlauben keine präzisen Folgerungen) Daher sind MC Simulationen ​äußerst ​rechenaufwendig. Ich habe einen Code entworfen, der an den Supercomputern der JKU ([[https://​help.jku.at/​im/​server/​wissenschaftliches-rechnen#​mach2|Mach2]] und Zusie) ausgeführt ​werden kann. Wird das Programm gestartetlösen ​gleichzeitig hunderte von Prozessoren über Stunden oder auch Tage hinweg die Rechenaufgaben,​ und können ​somit die Eigenschaften der Vielteilchensysteme berechnen. ​Eine wichtiges Beispiel ist hierbei die "​radiale Dichtefunktion",​ welche die lokale Dichte eines quantenmechanischen Flüssigkeitstropfen in Abhängigkeit der Entfernung zu einem Teilchen im Tropfenmittelpunkt angibt. 
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 +{{:​award19_gartner:​drops.png?​nolink&​200 |}} → {{:​award19_gartner:​rhodrops_rearranged.png?​nolink&​500 |}} 
 +Der Graph mit den Kurven zeigt die simulierte radiale Dichtefunktion <​html>&​rho;</​html>​(//​r//​) für Heliumtröpfchen,​ die aus einer verschiedenen Anzahl //N// von Quantenteilchen bestehen (diese Cluster sind symbolisch mit Kugeln dargestellt). Die Anzahl reicht dabei von //N//=3 (hellblau) bis //N//=60 (orange) Atomen. 
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 +Das entwickelte Simulationsprogramm ermöglicht es also, die komplexen Eigenschaften von Vielteilchensystemen zu berechnen und sogenannte //in silico Experimente//​ (also Experimente am Computer) auszuführen. Dies trägt wesentlich zum generellen Verständnis der Quantenmechanik bei und unterstützt auf längere Sicht die Verwirklichung von Feynmans Traum eines Quantensimulators.