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Clemens Staudinger - Die spinnen, die Elektronen!


Ground State of Many-Particle Systems in the Hyper-Netted-Chain Theory


oder


Die spinnen, die Elektronen!

Clemens Staudinger


angefertigt an der Abteilung Vielteilchenphysik des Instituts für Theoretische Physik der JKU

Kurzfassung PDF

Präsentation (PDF)

 

Die breite Masse der Bevölkerung verbindet mit Physik oft entweder ein Angstfach in der Schule, oder die chaotisch liebenswerten Forscher von The Big Bang Theory. Physik ist jedoch keinesfalls abgehoben und unverständlich! Das bunte Treiben der Elektronen – kleinste Teilchen, die man in jedem Festkörper findet und Gegenstand meiner Masterarbeit – betrifft uns im täglichen Leben mehr, als die meisten denken.

Egal, ob man eine Internetseite öffnet oder eine Nachricht am Smartphone schreibt, Elektronen sind die Hauptdarsteller im Inneren unserer elektronischen Geräte. Auch wenn man sie mit freiem Auge nicht sehen kann, sind sie doch wesentlich, damit das Emoji am Bildschirm erscheint, und eine Nachricht um die ganze Welt im Netz versendet werden kann. Ein Teilchen alleine richtet jedoch noch nicht viel aus, vielmehr hat man es mit unzähligen Milliarden auf einmal zu tun, die alle miteinander interagieren und sich gegenseitig beeinflussen. Dieses komplexe Wechselspiel zu beschreiben ist die Aufgabe der Vielteilchenphysik.

Auch wenn man sich quantenmechanischer Näherungen bedient, reichen hier Papier, Bleistift und die eigenen Kopfrechenkünste längst nicht mehr aus. Daher verwendet man leistungsstarke Computer, um die Gleichungen näherungsweise zu lösen.

FET Transistor

Image: http://uef.fei.stuba.sk/moodle/mod/book/print.php

 

Abb. 1: Ein Beispiel, wo Elektronen in dünnen Schichten wichtig sind: "High Electron Mobility Transistoren", genannt HEMTs.

(Draufklicken, um die Animation zu sehen; die zugehörige Erklärung der Funktionsweise steht auf der Webseite aus dem Kurs "eLearnCentral des Institute of Electronics and Photonics, Bratislava/SK".)

Doch nicht nur die schiere Anzahl an Teilchen stellt die theoretischen Physiker vor Herausforderungen. Man beobachtet es Jahr für Jahr: Handys werden immer kleiner und Bildschirme immer dünner! Vor nicht allzu langer Zeit füllte ein Computer, wie sie heute auf unseren Schreibtischen stehen, noch ein ganzes Zimmer. Mittlerweile ist die Miniaturisierung in der Elektronik sogar schon so weit fortgeschritten, dass die Bewegung der Elektronen in vielen Bauteilen im wahrsten Sinn des Wortes auf zwei Dimensionen eingeschränkt ist. Genau darum finde ich die Erforschung von Elektronen in dünnen Schichten so interessant: man sammelt nicht nur wertvolle Erkenntnisse im Bereich der Theoretischen Physik, sondern trägt außerdem auf lange Sicht dazu bei, unsere alltäglichen Gebrauchsgegenstände schneller und effizienter zu machen.

Dass Elektronen eine negative Ladung tragen und sich gegenseitig abstoßen, lernt man bereits in der Schule. Elektronen besitzen aber noch eine zweite wichtige Eigenschaft, welche man „Spin“ nennt. Sehr vereinfacht kann man sich den Spin als Drehung um die eigene Achse vorstellen. Genau wie sich ein Eiskunstläufer nur im oder gegen den Uhrzeigersinn drehen kann, zeigt der Spin des Elektrons entweder nach oben oder nach unten. Die Besonderheit ist hier, dass sich zwei Elektronen mit gleichem Spin nicht am gleichen Ort aufhalten können und dass der Spin magnetisch beeinflusst werden kann. Den letzeren Umstand macht man sich in der „Spintronik“ zu nutze: durch Anlegen einer Spannung (= elektrisches Feld) manipuliert man die Elektronen über ihre Ladung; über ein zusätzliches äußeres Magnetfeld kann man durch den Spin weitere Informationen im selben Bauteil übertragen und so noch leistungsfähigere Elektronik entwickeln.

Bevor es gelingen kann, die Reaktion der Elektronen auf äußere Felder zu berechnen, muss man zunächst ihren sogenannten „Grundzustand" genau verstehen. Erst dann ist es möglich, akkurat vorherzusagen, wie sie auf eine äußere Störung, beispielsweise eine angelegte Spannung, zu reagieren. Daher habe ich in meiner Masterarbeit das Verhalten des Grundzustands eines teilweise spinpolarisierten zweidimensionalen Elektronengases analysiert: Das bedeutet, dass mehr Elektronen mit Spin nach oben in der Schicht sind, als solche mit Spin nach unten.

Zwei Eigenschaften sind besonders relevant: Einerseits natürlich die Energie, und andererseits die Paarverteilung. In Flüssigkeiten ist diese
Paarverteilung proportional zur Wahrscheinlichkeit, im Abstand r eines Elektrons ein weiteres zu finden. In Abb.2 ist das allgemein veranschaulicht, Abb.3 zeigt ein konkretes Ergebnis meiner Rechnungen.

Abb.2: Die Paarverteilung: Man betrachtet "Schalen" rund um ein Teilchen im Zentrum. Sitzen in jeder Schale gleich viel andere Teilchen, ist die Paarverteilung 1. Findet man in einer Schale mehr bzw. weniger Teilchen, so ist g(r) dort größer bzw. kleiner.

Abb.3: Paarverteilung für ein dichtes (rs=1) und ein dünnes (rs=25) 2dimensionales Elektronengas, insgesamt, und aufgeschlüsselt nach gleichem bzw. umgekehrtem Spin. (Die Zeichnung in der 1. Zeile ist nur schematisch und veranschaulicht das Verhalten eines dünnen Systems.)
 

Am genauesten lässt sich g(r) mit aufwändigen Simulationen auf leistungsfähigen Großrechnern bestimmen. [1] Solche Auswertungen sind jedoch sehr langsam und brauchen mehrere Tage für eine Kurve, die mit meiner Methode [2] in wenigen Minuten erhalten wird. (siehe auch [3])

Mithilfe der Paarverteilung kann man die Energie berechnen und dabei entdeckt man etwas Erstaunliches! Nimmt nämlich die Dichte der Elektronen ab, so richten sich alle Spins in dieselbe Richtung aus. Diesgeschieht ganz ohne Anlegen eines äußeren Feldes, das Vielteilchensystem wird ferromagnetisch. Bei welcher Dichte dieser Phasenübergang stattfindet, konnte bis heute noch nicht eindeutig geklärt werden (siehe Abb.4). Schnelle Rechnungen wie die meinen dienen dazu, den Bereich einzugrenzen, in dem aufwändige Simulationen sinvoll sind —das ganze Phasendiagramm mit Simulationen zu erstellen, wäre einfach zu teuer.

Abb.4: Phasendiagramm der Elecktronenschicht: bei hoher Dichte sind beide Spin-Richtungen realisiert, bei niedriger Elektronendichte sind alle ausgerichtet. Durch Klicken auf das Bild sieht man, wo meine Rechnungen den Phasenübergang vorhersagen.
 

Zusammenfassend, habe ich also dazu beigetragen, das Verhalten von Elektronen in dünnen Schichten, insbesondere den Einfluss des Spins, besser zu verstehen. Mithilfe geschickter Näherungen schaffte schaffte ich es, die Rechenzeit für die maßgeblichen Größen des Grundzustands auf wenige Minuten zu reduzieren, wofür andere Simulationen Tage brauchen. Teile meiner Arbeit wurden auf der gemeinsamen Jahrestagung der Schweizer Physikalischen Gesellschaft und der Österreichischen Physikalischen Gesellschaft präsentiert.



Referenzen

[1] N. Metropolis, A. W. Rosenbluth, M. N. Rosenbluth, A. H. Teller and E. Teller. “Equation of State Calculations by Fast Computing Machines”. In: The Journal of Chemical Physics 21.6 (1953)

[2] R. Asgari, B. Davoudi and M. P. Tosi. “Analytic theory of correlation energy and spin polarization in the 2D electron gas”. In: Solid State Communications 131 (2004)

[3] E. Krotscheck. “Fermi-hypernetted chain theory for liquid 3He: A reassessment”. In: Journal of low temperature physics 119.1 (2000), pp. 103–145