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FPMPT: Public Evening Lecture

Öffentlicher Abendvortrag

Dienstag, 26.Juni 2012

Keplersalon

Tuesday, June 26, 2012, 19:30

www.kepler-salon.at

J. Peter Toennies

Why helium causes physicists much delirium?


   Helium: das zweithäufigste Element im Universum
   Nicht nur Füllgas für Luftballons
   Faszination Suprafluidität
   Noble gas and Nobel gas
   Jetstream
   Neue Kollegen für Helium
   Im Gleichschritt, marsch!
   Mikroskopischer Kühlschrank fuer Moleküle
   Suprafluid und fest zugleich?
  

Helium

das zweithäufigste Element im Universum

Das chemische Element Helium (He) ist wegen seiner faszinierenden Eigenschaften einer der meiststudierten Stoffe in der Physik. Helium steckt voller Überraschungen und hält — gäbe es Wettkämpfe zwischen den Substanzen — mancherlei "Weltrekord".

Obwohl Helium auch in kleinen Mengen in der Erdatmosphäre vorkommt, wurde es erstaunlicherweise erst 1868 bei einer Sonnenfinsternis in der Sonne entdeckt (das gezeigte Bild der Sonne wurde mittels UV Strahlen gewonnen, die von He-Ionen um die Sonne ausgestrahlt werden). In unserem Sonnensystem ist Helium, gleich nach Wasserstoff das zweithäufigste Element. Da es aber von allen Substanzen die größte chemische Reaktionsträgheit hat, gibt es auf der Erde kein Vorkommen von Helium in gebundener Form, und die Ressourcen drohen knapp zu werden.

Helium gibt es in zwei Gewichtsklassen, dem schwereren 4He und dem leichteren und extrem seltenen 3He. Bis zu sehr tiefen Temperaturen bildet Helium ein farb- und geruchloses, ungiftiges Gas, das erst bei -269oC (also bei 4K) flüssig wird. Es bleibt — als einzige Substanz — bis zu allerniedrigsten Temperaturen flüssig und gefriert unter Normalbedingungen selbst am absoluten Nullpunkt (-273oC = 0K) nicht; nur unter Druck lässt es sich verfestigen (bei 2.5MPa, dem 25fachen Atmosphärendruck, ist sein Schmelzpunkt -272.2oC = 0.95K).

Nicht nur Füllgas für Luftballons
Helium findet unter anderem Anwendung als Traggas für Luftschiffe und als Schutzgas (z.B. beim Schweißen, wo das reaktionsträge Edelgas das flüssige Metall vor Oxidation schützt, oder bei der Herstellung von Silizium-Wafern, der Grundlage aller Computerchips und Solarzellen, wobei es für extrem reine Oberflächen sorgt). Flüssiges Helium ist als Kühlmittel unverzichtbar, insbesondere bei supraleitenden Magneten. Solche findet man in vielen Krankenhäusern in einem Magnetresonanztomographen (MRT, kurz auch MR).

Faszination Suprafluidität
SF
Flüssiges Helium hat die verblüffende Eigenschaft, dass es bei tiefsten Temperaturen keine innere Reibung zwischen den Heliumatomen mehr gibt. In diesem Fall hat das flüssige Helium keine Viskosität (= Zähigkeit) mehr und wäre das perfekte Schmiermittel. Man nennt diese Eigenschaft Suprafluidität. Die Flüssigkeit durchdringt dann kleinste Poren und Ritzen. Befindet sich suprafluides Helium in Gefäßen mit verschieden hohen Pegelständen, "kriecht" es die Gefäßwand hoch, um einen Niveauausgleich herbeizuführen. Diese Effekte sieht man in diesem Video.

Besonders dramatisch äußert sich die Suprafluidität beim Springbrunneneffekt. Eine Röhre ist unten weit und dort mit einem porösen Stöpsel verschlossen, von außen dringt suprafluides Helium ein. Bereits geringe Energiezufuhr (zB Heizdraht oder Licht) macht es normalflüssig. Weil diese Flüssigkeit nicht zurück durch die Poren fließen kann, schießt sie durch den dünnen Flaschenhals nach oben hinaus. Dies wurde zufällig im Jahr 1970 von J.F. Allen und D. Miesener in Cambridge entdeckt, als sie mit eine Taschenlampe auf ihre Apparatur leuchteten, aber ziemlich zeitgleich auch von P. Kapitsa in Moskau.

 

Noble gas and Nobel gas
Das Edelgas Helium (englisch "noble gas") hat in der Wissenschaft viele spannende Wettläufe hervorgerufen; nennt man "nur" die damit verbundenen Nobelpreisträger, so startet die Reihe 1913 mit H. K. Onnes, dem 1908 erstmals die Verflüssigung von He gelang. 1962 folgte L. Landau mit seinen bahnbrechenden Ideen zur Erklärung der Suprafluidität in 4He. D.M. Lee, D.D. Osheroff und R.C. Richardson teilten sich 1996 den Nobelpreis für die Entdeckung von suprafluidem 3He 1970. Die Erklärungen der Theoretiker A.A. Abrikosov, V.L. Ginzburg, A.J. Leggett zum Verständnis von Supraleitung und Suprafluidität wurden schließlich 2003 mit der Verleihung des Preises belohnt.

Onnes          

Landau          

Lee          

Osheroff          

Richardson          

Abrikosov          

SF          

Leggett 

 

 



SFJetstream
Bei der "free-jet expansion" schießt Helium aus einer Kammer mit typischerweise 100-fachem Atmosphärendruck durch ein etwa 10mm großes Loch in das umgebende Vakuum. Durch den Druckunterschied dehnt sich der Heliumstrahl aus und wird dadurch stark abgekühlt. Genau diesen Effekt nutzt man auch in Kühlschränken, um das Kühlmittel auf tiefe Temperaturen zu bringen. Im Fall von Helium entsteht ein Strahl mit sehr genau bekannter Energie (man nennt den Atomstrahl "monochromatisch", analog zum Laser in der Optik).
 
Nur 1Å (ein Zehntel Millionstel Millimeter) beträgt die Wellenlänge solcher He-Strahlen. Für sie wirken daher Oberflächen, die uns glatt und spiegelnd erscheinen, wie runzeliges Wellblech. Wegen ihrer niedrigen Energie stellen diese Atomstrahlen daher ein ideales, zerstörungfreies Werkzeug zur präzisen Analyse von Oberflächen dar.

 

Neue Kollegen für Helium
Seit einiger Zeit gesellen sich viele weitere Elemente zum Helium und zeigen, dass sie – unter gänzlich anderen Bedingungen – ebenfalls suprafluid sein können: Während dies in 4He bei 2,17K geschieht, erreichen andere Stoffe diesen Zustand erst bei einigen μK oder darunter (1μK ist ein Millionstel Kelvin. Zum Vergleich: Um von 1oC auf die Temperatur der Sonnenoberfläche aufzuheizen, benötigt man einen Faktor 5500; um 1μK zu erreichen, mussten die Experimentatoren einen Faktor 1/1000000 schaffen!).

BEC 1995 gelang es mehreren Physikerteams in den USA erstmals fast gleichzeitig, stark verdünnte Gase mit neuartigen Methoden soweit abzukühlen, sodass sie suprafluid wurden. Genaugenommen wurde zuerst einmal ein anderes Phänomen nachgewiesen, nämlich die sogenannte Bose-Einstein Kondensation. Sie ist mit Suprafluidität verwandt und ebenfalls seit langem von 4He bekannt. Dabei befindet sich ein gewisser Prozentsatz aller Atome des Experiments im gleichen (nämlich energetisch tiefsten) Zustand. Bereits 6 Jahre nach diesem experimentellen Durchbruch gabs bereits den Nobelpreis dafür, der E. A. Cornell, W. Ketterle und E. Wieman verliehen wurde. ("typically, a discovery is made and the Swedes wait maybe 20 years before they decide they are convinced enough...so I certainly wasn't expecting to get a telephone call early in the morning so soon" sagt Cornell.) Recht schnell sind die ultrakalten Gase erwachsen geworden und haben sich als eigener Forschungzweig etabliert.

 

Im Gleichschritt, marsch!
Genauso wie "fest" und "flüssig" ist das Bose-Einstein Kondensat eine Phase ("kondensiert"), in der sich eine Substanz befinden kann (dazu eine Animation). 1995 wurde Materie in diesem exotischen Zustand vom Science Magazin zum "Molekül des Jahres" erklärt. Alle Atome befinden sich im selben Quantenzustand — wie es der Künstler am Titelblatt durch gleiche Uniform und gleiche Bewegung visualisiert.
FermionsBosons
Auch in Innsbruck erforscht ein international herausragendes Team viele neue Phänomene in ultrakalten Gasen — the coolest place in Austria!

 

Mikroskopischer Kühlschrank fuer Moleküle
Während fieberhaft an der Erzeugung ultrakalter Gase gearbeitet wurde, rückte auch suprafluides 4He wieder ins Rampenlicht. Lässt man 4He durch ein winziges Loch in eine Vakuumkammer expandieren (wie oben beschrieben), können unter bestimmten Bedingungen auch mikroskopisch kleine Heliumtröpfchen entstehen. Als man solche Tröpfchen mit einzelnen Molekülen verunreinigte, entdeckte man, dass diese im Helium reibungsfrei rotieren und schwingen – Suprafluidität funktioniert also nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen.

Die praktische Bedeutung für die Spektroskopie wurde schnell erkannt: Atome, Moleküle, und Cluster (also Ansammlungen von Atomen oder Molekülen) lassen sich auf diese Art optimal kühlen, ohne sie in ihrer Bewegung einzuschränken. Heliumtröpfchen werden inzwischen sogar als eine Art kalter Reaktor für chemische Reaktionen verwendet.

Suprafluid und fest zugleich?
Die Entdeckung von Suprafluidität einer mikroskopisch kleinen Menge von flüssigem Helium wurde anstandslos akzeptiert, weil sie exzellent mit theoretischen Berechnungen übereinstimmte. 2004 war die Verwirrung dann aber perfekt: An der Pennsylvania State University in den USA wurde Suprafluidität in festem 4He gemessen. Zwar war nur ca. 1% des Heliums suprafluid, aber auch so ein kleiner suprafluider Anteil – in einem festen (!) Kristall – ist mit unserer der klassischen Physik verhafteten Denkweise schwer zu begreifen. Aber Suprafluidität ist kein klassisches sondern ein quantenmechanisches Phänomen, und Suprafluidität eines Kristalls ist nicht prinzipiell verboten. Trotz vieler weiterer Messungen verschiedener Teams weltweit gibt es nach wie vor keine schlüssige Erklärung dafür, was im festen 4He genau passiert, und ob Suprafluidität wirklich für die zweifelsfrei nachgewiesen Effekte verantwortlich ist. Nicht zuletzt weil in diesem Fall theoretische Berechnungen keine messbaren Anzeichen von Suprafluidität finden, ist der Ausgang offen und man darf gespannt sein, wohin die Reise mit Helium noch geht.

Wer das alles genauer wissen will:
Research page of the Toennies Group (in english)
 

Jan Peter Toennies

“Wenn sich neue Konzepte abzeichnen, ist Wissenschaft so beglückend, erfüllend und aufregend wie Kunst.”

Jan Peter Toennies wurde 1930 als Sohn (oft wegen ihrer Abstammung angefeindeter) deutscher Emigranten in den USA geboren. Sein Interesse an Chemie wurde früh vom Vater geweckt. Von 1948-1957 studierte er am Amherst College (Bachelor) und der Brown University (Doktorat). Zwischenzeitlich war er Fulbright-Stipendiat in Göttingen (u.a. bei Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker), wo er bei Wilhelm Jost an CO/O2 Mischungen forschte: "Überraschenderweise beschwerten sich die Nachbarn nicht über die stündlichen nächtlichen Detonationen", lächelt er.
 
Trotz attraktiver industrieller Jobangebote in den USA zog J. Peter Toennies wissenschaftliche Herausforderungen unter ärmlichen Lebensbedingungen als Post-Doc in Bonn der gesicherten Existenz vor. Beim späteren Nobelpreisträger Wolfgang Paul studierte man mit Molekularstrahlapparaturen die Signale der russischen Sputniks. “Eigentlich wollte ich das Knowhow rasch lernen und heimkehren”, berichtet Toennies, “wurde aber aufgefordert, inelastische Molekül-Stoßexperimente aufzubauen”. Paul belohnte die hervorragende Arbeit mit einer Assistentenstelle. Toennies erhielt 1964 den Physikpreis der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, 1965 habilitierte er sich. Berühmt wurde sein Team für die präzise Vermessung der Wechselwirkung zwischen Molekülen (,,intermolecular potentials'').

Als ihm die USA in Urbana schließlich eine Professur anboten, hatten sie das Nachsehen: Ab 1969 leitete J. Peter Toennies drei volle Jahrzehnte engagiert das interdisziplinäre Max Planck Institut für Strömungsforschung in Göttingen (2004 in Max Planck Institut für Dynamik und Selbstorganisation umbenannt). Parallel betreute er zehn Jahre lang eine Molekularstrahlgruppe in Göteborg. Ab 1971 auch Fakultätsmitglied der Unis Göttingen und Bonn, vermittelte er seine Expertise an insgesamt über zweihundert Diplomanden und Doktoranden. "Ihre Begeisterung, Motivation und ihr Instinkt, ja manchmal sogar ihre Naïvität, spielen eine entscheidende Rolle für den Fortschritt”, ist Toennies überzeugt, “vor allem junge Studierende zeigen diese Qualitäten”. Nach seiner Emeritierung war er 2005 Gastprofessor in Berkeley.

Expandiert man ein Gas durch ein kleines Loch ins Vakuum, entsteht ein gerichteter Molekülstrahl. Die Anwendungen in der physikalischen Chemie und der Oberflächenphysik sind vielfältigst. Über Oberflächen interagieren Dinge mit ihrer Umwelt (Klebestreifen haften auf Papier, Autokarosserien rosten an der Luft, usw). Um 1970 entdeckte Toennies' Gruppe mit der ,,Düsenstrahlmethode'' den enormen Streuquerschnitt von Helium. “Damit entwickelten wir neuartige Analysen der chemischen Zusammensetzung, der Struktur, ja selbst der atomaren Dynamik auf Oberflächen”, setzte Toennies neue, wegweisende Maßstäbe.

1992 erhielt J. Peter Toennies den prestigeträchtigen Hewlett-Packard Europhysics Prize für Festkörperphysik sowie den Max-Planck-Forschungspreis. 1993 wurde er Mitglied der Leopoldina (deutsche Akademie der Wissenschaften). 2002 würdigte ihn die Deutsche Physikalische Gesellschaft mit ihrer höchsten Auszeichnung für experimentelle Physik, der Stern-Gerlach-Medaille (Preisträger 1993-2012). 2006 erhielt er die Benjamin Franklin Medal in Physics.

Festkörper zeigen weitaus vielfältigere Eigenschaften (z.B Farbe oder Ferromagnetismus) als ihre Atome. Seit den 90er Jahren floriert die ,,Cluster-Physik'' mit dem Ziel, den Übergang im Verhalten zu erklären. “Heliumtröpfchen fangen sehr effektiv Molekül-Cluster ein und stellen diesen eine ideale Umgebung für hochpräzise Messungen zur Verfügung”, erklärt der Vielfachpreisträger, der seine Ehrungen auch für diese Pionierarbeit erhielt.

Wir freuen uns sehr, dass wir diesen hochkarätigen Wissenschaftler für einen öffentlichen Abendvortrag gewinnen konnten.


1964 : Physics Prize of the Academy of Sciences, Göttingen.
1983 : "Fellow" of the American Physical Society.
1990 : Corresponding Member of the Academy of Sciences in Göttingen.
1991 : Gold Heyrovsky Medal of the Czech Academy of Sciences.
1992 : Hewlett-Packard Europhysics Prize for solid state physics.
1992 : Max-Planck-Prize of the Germany Research Society and the Alexander von Humboldt Foundation.
1993 : Member of the Germany Academy of Natural Scientists "Leopoldina" in Halle, Germany.
1996 : Recipient of the first MOLEC Conference Award.
1999 : Honorary Fellow of the International Molecular Beams Symposium.
2000 : Honorary Doctorate in Philosophy, University of Gothenburg, Sweden.
2002 : Stern-Gerlach Gold Medal of the German Physical Society.
2005 : Kolos Medal of University of Warsaw
2006 : Benjamin Franklin Medal in Physics


Das Foto stammt aus der Autobiographie.